
In vielen Fabriken sind industrielle Leitsysteme heute alles andere als einheitlich. Manche Linien werden mit Siemens WinCC gesteuert, andere mit HMI/SCADA-Systemen eines anderen Herstellers und manchmal kommen sogar selbst entwickelte Tools zum Einsatz. Dieses Patchwork ist eine industrielle Realität: Jede Investition wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt getätigt, um einen konkreten Bedarf zu erfüllen. Doch diese Vielfalt bringt ein großes Problem mit sich: Die Daten sind verstreut und nur schwer ganzheitlich nutzbar.
Das Ergebnis: Es ist komplex, eine konsolidierte Sicht auf die Produktion zu erhalten, die Performance verschiedener Standorte zu vergleichen oder bei einer Qualitätsprüfung schnell reagieren zu können. Genau an diesem Punkt setzt AVEVA Historian an: Es verwandelt diese fragmentierte Landschaft in eine zentrale Quelle der Wahrheit, auf die sich jeder Unternehmensbereich verlassen kann.
AVEVA Historian – das industrielle Gedächtnis Ihrer Fabrik
In jeder Anlage erzeugen Steuerungen und Leitsysteme riesige Mengen an Daten: Temperaturen, Drücke, Mengen, Verbräuche, Maschinenzustände – nahezu jede Sekunde wird etwas erfasst. Doch ohne ein geeignetes Werkzeug landen diese Daten oft in überlasteten SQL-Datenbanken, in Excel-Dateien oder, schlimmer noch, sie werden nie genutzt.
AVEVA Historian ändert das. Speziell für die Industrie entwickelt, sammelt, komprimiert und speichert es kontinuierlich Millionen von Datenpunkten, ohne Informationsverlust. Vor allem aber macht es sie in wenigen Klicks zugänglich: sei es eine kritische Messung von vor sechs Monaten oder ein Performance-Vergleich Ihrer Produktionslinien über drei Jahre hinweg.
Während ein SCADA-System wie Siemens WinCC eine lokale und aktuelle Sicht liefert, übernimmt der Historian die Rolle eines zentralen, langfristigen Gedächtnisses. Das ist der Unterschied zwischen „sehen, was passiert“ und „verstehen, was passiert ist, warum es passiert ist und wie man sich verbessern kann“.
Beispiel 1 – Lebensmittelindustrie und Kühlketten - Nachverfolgung
Stellen Sie sich ein Werk vor, das Joghurt produziert. In jeder Phase – Fermentation, Abfüllung, Lagerung – muss die Temperatur innerhalb einer engen Spanne bleiben. Bei einem Audit stellt der Qualitätsprüfer eine einfache Frage:
„Können Sie nachweisen, dass Ihre Tanks in den letzten sechs Monaten nie über 6 °C lagen?“
Wenn nur das lokale WinCC-Historienarchiv zur Verfügung steht, sind höchstens ein paar Wochen abrufbar und selbst diese nur mühsam zu exportieren. Mit AVEVA Historian dagegen ist die Antwort sofort verfügbar: Der Qualitätsleiter öffnet einen Report, wählt den Zeitraum aus und zeigt eine klare Kurve mit allen aufgezeichneten Werten.
Das liefert nicht nur einen unwiderlegbaren Nachweis für den Auditor, sondern spart auch Tage mühseliger Datenaggregation. Das Ergebnis: Zeitgewinn, höhere Glaubwürdigkeit und gesicherte Compliance.
Beispiel 2 – Automobilindustrie und vorausschauende Wartung
In einem Automobilwerk kommt es regelmäßig zu Stillständen in der Montage, weil ein Schraubroboter unerwartet ausfällt. Jeder Stillstand kostet tausende Euro.
Durch die Anbindung von WinCC an den AVEVA Historian beschließt das Instandhaltungsteam, zwei zentrale Messwerte zu archivieren: Motortemperatur und Vibrationen. Nach Wochen der Analyse wird ein Muster sichtbar: Vor jedem Ausfall steigen die Vibrationen langsam aber kontinuierlich an.
Mit dieser Erkenntnis richtet das Werk eine Alarmierung ein. Der Roboter wird nun gewartet, bevor er ausfällt. Die Folge: weniger ungeplante Stillstände, höhere Verfügbarkeit der Linie und stabilere Produktion. Historian hat nicht nur Daten gespeichert, sondern Rohwerte in einen prädiktiven Indikator für Ausfälle verwandelt.
Beispiel 3 – Chemieindustrie und Energieeffizienz
In der chemischen Industrie zählen Energiekosten zu den größten Ausgaben. Ein Werk stellt fest, dass trotz stabiler Produktion die Energiekosten steigen. Die lokalen WinCC-Daten reichen nur für wenige Wochen zurück, eine tiefere Analyse ist unmöglich.
Mit dem AVEVA Historian werden Strom- und Dampfverbräuche jeder Linie kontinuierlich erfasst und mit den tatsächlich produzierten Mengen verglichen. Dabei wird sofort erkennbar: Manche Chargen benötigen deutlich mehr Energie als andere. Bei genauerer Untersuchung stellen die Ingenieure fest, dass bestimmte Prozessparameter nicht optimal eingestellt sind.
Nach den Anpassungen sinkt der Energieverbrauch um 10 % pro Jahr, eine Ersparnis von mehreren Hunderttausend Euro. AVEVA Historian ermöglicht den Wechsel von „wir ertragen die Rechnung“ zu „wir kontrollieren und reduzieren die Kosten“.
Wo liegen die Grenzen der nativen Historisierung von Siemens WinCC?
Siemens WinCC ist auf Prozessvisualisierung spezialisiert. Die integrierte Historisierung ist jedoch für lokale, zeitlich begrenzte Anwendungen konzipiert. In der modernen Produktion entstehen daraus mehrere Herausforderungen:
- Datenvolumen: Eine moderne Linie erzeugt tausende Datenpunkte pro Sekunde. Klassische SQL-Datenbanken sind schnell überlastet.
- Offenheit: WinCC ist stark auf das Siemens-Ökosystem ausgerichtet, während Werke in der Praxis selten 100% Siemens sind.
- Nutzbarkeit: Mehrjahresanalysen oder standortübergreifende Reports sind umständlich oder gar unmöglich.
Damit zeigt sich: Für modernes Produktionsmanagement reicht eine rein lokale Historisierung nicht mehr aus. AVEVA Historian geht weit über die reine Archivierung hinaus und entwickelt sich zu einem echten Hub industrieller Daten.
Wie lässt sich Siemens WinCC mit dem AVEVA Historian verbinden?
Die Verbindung basiert auf einem etablierten Prinzip: OPC UA/DA, der Industriestandard für Datenaustausch zwischen heterogenen Systemen.
- Schritt 1 : WinCC stellt seine Daten über den OPC-Server (z. B. SIMATIC NET) bereit. Sensorwerte, Maschinenzustände, Alarme und Sollwerte sind damit zugänglich.
- Schritt 2 : Der AVEVA Historian verbindet sich mit diesem OPC-Server und übernimmt die ausgewählten Datenpunkte. Sie definieren selbst, welche Tags historisiert werden sollen (Temperatur, Geschwindigkeit, Energieverbrauch usw.).
- Schritt 3 : Historian archiviert und optimiert die Daten mit integrierter Kompression, Redundanz und Sicherheit.
Für den Anwender bleibt der Prozess transparent: WinCC überwacht weiter, während Historian die Daten zuverlässig archiviert und nutzbar macht. Stellen Sie sich eine unsichtbare Pipeline vor: Ihre Siemens-Daten werden in Echtzeit abgegriffen und automatisch im Historian gespeichert, ohne Eingriff in den Betrieb.
Welche konkreten Herausforderungen lassen sich damit lösen?
Die Vorteile sind nicht nur technischer Natur, sondern adressieren unmittelbar die täglichen Anforderungen der Industrie:
- Regulatorische Nachverfolgbarkeit: Pharmaunternehmen können mit wenigen Klicks die Konformität eines Batches nachweisen, mit zuverlässigen historischen Daten über Jahre hinweg.
- Kontinuierliche Verbesserung: Automobilhersteller identifizieren Ursachen für Stillstände, indem sie Siemens-Sensordaten mit MES-Produktionsaufträgen kombinieren. Das führt zu schnelleren Root-Cause-Analysen und wirksamen Maßnahmen.
- Energieeffizienz: Getränkehersteller überwachen den Energieverbrauch ihrer Siemens-Linien präzise, vergleichen ihn mit den Produktionsmengen und entdecken Optimierungspotenziale.
- Multi-Site-Transparenz: Industriegruppen mit mehreren Werken können ihre Daten im Historian zentralisieren, auch bei unterschiedlichen WinCC-Installationen. Das ermöglicht Benchmarking und Best-Practice-Transfer.
Historian – der Daten-Hub für mehr Performance
Mit der Verbindung Ihrer Siemens-Leittechnik zu AVEVA Historian verlassen Sie die Grenzen lokaler Steuerung und schaffen eine zukunftsfähige, offene und belastbare Dateninfrastruktur. Historian wird zum zentralen Hub, der Qualität, Instandhaltung, Supply Chain und Management gleichermaßen mit verlässlichen, kontextualisierten Daten versorgt.
In einer Zeit, in der Wettbewerbsfähigkeit maßgeblich von der Datenhoheit abhängt, ist die Kopplung von WinCC und AVEVA Historian weit mehr als eine technische Option: Sie ist ein strategischer Hebel, der Rohdaten in nachhaltigen Mehrwert für Ihre Produktion verwandelt.